Vorstellungsrunde (1)

Eine meiner vielen Vorstellungsrunden (Bild: Julia Krojer)
Eine meiner vielen Vorstellungsrunden (Bild: Julia Krojer)

Vor der Ausreise nach Kambodscha hatten wir eine dreimonatige Vorbereitungszeit. Ein dicht gepacktes Programm, bei dem entweder ich oder wir als ganze Familie, in die unterschiedlichsten Fortbildungen gesteckt wurden.

Zwar änderten sich Gruppenzusammensetzung, Tagungsort und Thematik von Mal zu Mal, doch eines blieb immer gleich: Die Vorstellungsrunde!

 

Jedes Mal hörte ich mich den selben Sermon vortragen. Warum ich hier bin, was ich hier lernen will, wohin ich gehe, was ich dort mache und überhaupt, was ich so für ein fantastischer Mensch bin. In den ersten Minuten entschied sich so, wer einem sympathisch war, zu wem man sich in der Mittagspause an den Tisch setzen wollte und zu wem lieber nicht.

 

Da waren Lederhosen-Gerd, der schon mindestens sechs Mal die Welt gerettet hatte es aber aus politischen Gründen nicht weiter erzählen durfte, das verträumte Mädchen Anfang zwanzig, dass in Afrika irgendetwas mit Frauen machen wollte und, mein absoluter Lieblingsfall, ein GIZ'ler, der sich mit den Worten vorstellte: "Ich heiße XXX und ich habe einen sehr breiten Horizont."

 

Heute war Vorstellungsrunde beim monatlichen "Senior Staff Meeting" im LWD. Einmal im Monat kommen die Leiterinnen und Leiter der Regionalprogramm ins "Headoffice" nach Phnom Penh um sich dort mit dem Management Team zu besprechen. Ich war dankbar über die Möglichkeit mich dort zu Anfang kurz vorzustellen - und sehr nervös.

 

Ich habe den ganzen Vormittag in meinem Büro gekauert und mir im Kopf ein paar englische Sätze zurecht gelegt, die prägnant und gut verständlich sind. Das was ich in Deutschland um drei Uhr nachts aus dem Tiefschlaf gerissen sofort darstellen könnte, schien mir hier fast unmöglich zu sein.

 

In dem Meeting selbst lief dann natürlich alles anders. Ich konnte kaum verstehen, was in sehr leisem Ton bei lauter Klimaanalage vorgetragen wurde. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob man alles gut verstanden hat, was ich gesagt habe.

 

Am Ende reichte es in die Gesichter zu blicken, die allesamt wohlgesonnen waren. Wie Reinhard Mey in dem Lied "Freundliche Gesichter"singt:

 

"Da waren freundliche Gesichter, und es war gut, ein Lächeln zu seh‘n!

Wie Freunde, wie Komplizen waren wir.

Ich hatte meinen Weg gefunden, sie gaben mir Mut, ihn zu geh‘n, (...)"

 

Reinhard Mey, Freundliche Gesichter

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