Was ist Gewaltfreie Kommunikation (GFK), Kerstin Kastenholz?

Kerstin Kastenholz ist Diplom-Geographin und arbeitet heute als Trainerin, Mediatorin und Psychodramatikerin in Deutschland. Von 2006-2007 hat sie in Peru für die GIZ gearbeitet und mit dem Zivilenfriedensdienst Kambodscha gearbeitet. Beides Mal zu dem Thema Vergangenheitsaufarbeitung.

 

Heute bereitet sie in Deutschland Menschen vor, die ins Ausland gehen um zu arbeiten. Sie macht viele Trainings zu Konfliktbearbeitung, Kommunikation, Mediation in Universitäten und für andere Organisationen in Deutschland, Peru und Kambodscha. Als Friedensfachkraft in den beiden Ländern musste sie sich viel mit dem Thema Konfliktbearbeitung auseinandersetzen.

Dariush: Es geht ja um gewaltfreie Kommunikation (GFK). Kannst Du erklären, was sich hinter diesem Begriff verbirgt?

 

Kerstin Kastenholz: Es geht um eine wertschätzende, emphatische Kommunikation. Man versucht den Menschen ohne vorgefasste Meinungen und Urteile zu begegnen. Der Begründer der GFK ist Marshall Rosenberg, der 1934 in den USA geboren wurde und als Kind Rassenkrawalle miterleben musste. Er war als Jude in dieser Zeit besonders gefährdet und wurde verspottet. In seinem weiteren Leben hat er sich mit diesem Thema "Diskriminierung" auseinandergesetzt, Psychologie studiert und viele Trainings in Schulen und sozialen Einrichtungen gemacht, die Diskriminierungen vorbeugen sollten.

 

Bei der GFK versuchen wir, nicht in einer vorwurfsvollen Sprache zu reden, sondern bei uns zu bleiben. Wir in unserer heutigen Welt sind es nicht gewohnt unsere eigenen Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken, weil wir Angst haben, verletzt zu werden. GFK möchte hier aber ansetzen und geht davon aus, dass es möglich ist Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken und dass Menschen so eher an ihr Ziel kommen.

 

Wichtig ist, dass wir in der GFK Bewertung und Beobachtung nicht vermischen. Wenn wir es vermischen, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass die andere Person uns nicht hört. Daher ist GFK ist keine Gesprächstechnik, sondern eine Haltung, die ist nicht von heute auf Morgen zu lernen, sondern erfordert viel Zeit. Wichtig ist in der GFK, dass wir den Menschen mit Empathie begegnen. Das ist etwas, was in der Regel vielen Menschen schwer fällt. Wichtig ist weiterhin auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu hören und nicht zu sehr nach außen orientiert zu handeln. Also zu schauen, was in uns drin passiert und nicht zu sehr, darauf was andere Menschen über uns denken.

Dariush: Ist denn die Definition, was in der Kommunikation als gewaltvoll angesehen wird in jeder Kultur gleich? Wir sprechen ja über Menschen mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen. Eventuelle wird in unterschiedlichen Kulturen „Wertschätzung“ und „Empathie“ anders ausgedrückt?

 

Kerstin Kastenholz: Naja, viele Trainerinnen, die GFK unterrichten benutzen gar nicht unbedingt das Wort "Gewalt", sondern beziehen sich eher auf wertschätzend oder emphatisch. Sicherlich ist Kommunikation nicht in allen Ländern gleich und es gibt viele kulturelle Unterschiede. Beispielsweise finden wir (in Deutschland) es als emphatisch, wenn uns Menschen anschauen, uns in die Augen schauen, in anderen Ländern, wie beispielsweise in Kambodscha, ist das nicht unbedingt der Fall. Da kann es als "grob", "respektlos" etc. angesehen werden. GFK ist auf jeden Fall erst mal ein Konzept, was aus der westlichen Welt kommt, jedoch bin ich mir sicher, dass du in allen Ländern Menschen finden kannst, auf die du emphatisch und wertschätzend eingehen kannst. Ich bin sicher, dass alle Menschen auf der Welt sich gerne wertgeschätzt und verstanden gefühlt werden möchten. Ich glaube, die Codes, wie du mit den Menschen in den jeweiligen Ländern wertschätzend und emphatisch umgehen kannst, musst du jeweils rausfinden, da gibt es kein absolutes Rezept für alle Länder der Welt.

Kerstin Kastenholz: Aber jetzt mal eine Gegenfrage: Hast Du denn in Kambodscha ein veränderten Denk- und Verhaltensansatz angenommen?

 

Dariush: Klar, ich bin im denken und verhalten wesentlich "langsamer" als in Deutschland. Das hat mich dann davor bewahrt zu schnell zu Schlüssen zu kommen und zu schnell zu reagieren. Das war super, denn oft waren Situationen anders als ich das zunächst dachte.

 

Kannst Du wiederum ein Beispiel nennen, wo für Dich in Deinem Arbeitsalltag das Wissen um GFK wichtig war?

 

Kerstin Kastenholz: Na, eine Situation war, als ich eine Ausstellung mit einem Freund und Kollegen erarbeitet habe. Wir haben alles gemeinsam geplant und in der Mitte der Ausstellung meinte er, er hätte nicht mehr soviel Zeit und würde gerne zum großen Teil aussteigen. Ich war erst mal sehr irritiert, aber er ist emphatisch auf mich eingegangen und hat mich gefragt, wie es mir geht und was ich brauche.

 

Das hat mir geholfen zu verstehen, wie es mir geht, dass ich traurig bin und dass ich wenn ich Unterstützung brauche, ihn jeder Zeit anrufen kann und ihn um Rat fragen kann, das hat mich beruhigt und dann habe ich mich nicht mehr alleine gefühlt.

Andere Situationen treten öfter auf, wenn ich mit einer Kollegin Trainings vorbereite. Wenn wir kurze Vorbereitungszeit haben, geraten wir oft in Stress und reden dann manchmal auch nicht so "gewaltfrei" miteinander. Dann bleiben wir nicht bei uns und unseren Gefühlen und Bedürfnissen. Wenn wir das dann merken, machen wir einen Strich und fangen noch mal von vorne an. Wir überlegen, was braucht die Eine gerade, was die Andere und wie können wir uns besser unterstützen und verstehen. Das klappt dann viel besser....:)

 

Dariush: Kerstin, ich danke Dir für das Gespräch.

 

Kerstin Kastenholz: Gerne.